Sonnenfinsternis und Gott - Gottesfinsternis?


Auch nüchterne Zeitgenossen empfinden den Anblick einer totalen Sonnenfinsternis oft als übernatürliches Ereignis.
Stellt sich die Frage: was hat Gott damit zu tun? Und die Religion? Nur zwei Gedanken hierzu:


Für Adalbert Stifter spricht Gott, der in diesem Moment die Macht seiner Schöpfung offenlegt. Stifter beschrieb den Beginn der Totalität der Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842 in Wien mit den folgenden emotionsgeladenen Worten:

... denn nicht anders als wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunken weg, wahrscheinlich durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück - es war ein überaus trauriger Augenblick -
deckend stand nun Scheibe auf Scheibe - und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte -
das hatte keiner geahnet - ein einstimmiges "Ah" aus aller Munde, und dann Totenstille,
es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.

 

Vom Benediktiner und Zen-Meister Willigis Jäger stammt ein interessantes Analogon zwischen Sonnenfinsternis und Gottesfinsternis,
das Mond und Religion als Urheber dieser Erscheinungen identifiziert:

Religionen sind zu vergleichen mit dem Mond, der die Erde erleuchtet, wenn es dunkel ist. 
Die Kraft des Mondes kommt von der Sonne. Sein Leuchten ist der Widerschein ihres Lichts.
Wenn der Mond sich zwischen Sonne und Erde schiebt, verdunkelt er die Sonne. Es gibt eine Sonnenfinsternis
und es wird auf der Erde wieder dunkel und kalt.
Das Göttliche ist zu vergleichen mit der Sonne. Es gibt den Religionen das Licht, damit sie den Menschen leuchten
und sie im Dunkel ihres Suchens begleitet.
Wenn die Religion sich aber zu wichtig nimmt und sich zwischen Gott und Mensch schiebt,
verdunkelt sie Gott. Es gibt eine Gottesfinsternis.

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